Von Türen und Gebläsen

An einem schönen Tag im Juli stand die erste Prüfung auf Herz und Nieren für unser Haus an: der Gebläse-Tür-Test, in der Fachsprache auch Blower-Door-Test (im Folgenden als “BDT” abgekürzt) genannt. Damit soll umgangssprachlich geprüft werden, wie dicht ein Haus ist. Der Hintergrund ist, dass durch austretende Luft sehr viel Wärme verloren gehen kann.

Weil es mal wieder etwas länger wird, folgen Details zu den Grundlagen, der Durchführung und den Ergebnissen nach dem Klick auf “Weiter lesen”.

Ziel des Tests

Das Ziel des Tests ist zweigeteilt:

  • Ermittlung von undichten Stellen (mittels Rauchspender, Infrarotaufnahmen oder Luftstrommessgeräten)
    In der ersten Stufe wird getestet, ob es irgendwo im Haus noch Leckagen gibt. Diese äußern sich im Extremfall dadurch, dass der Druckaufbau nicht funktioniert.
    Typischerweise wird der Prüfer durch das Haus gehen und neuralgische Stellen in Augenschein nehmen. Bei Verdacht auf eine Leckage kommen dann typischerweise verschiedene Mittel zum Einsatz. Am klarsten dürfte es mit einem Rauchspender sein, denn der Rauch zieht gut sichtbar durch ein Leck ab. Es gibt aber auch Messgeräte, die den Luftzug messen und dadurch quantifizierbar machen.
    Bei uns war das z.B. an einem Fenster im Gästebad der Fall, das nicht richtig schloss. Das wussten wir zum Glück schon vorher und waren deshalb nicht überrascht.
  • Ermittlung der Luftwechselrate
    Nach dem Ermitteln evtl. vorhandener Leckagen erfolgt die eigentliche Messreihe. Diese soll ermitteln, wie schnell im Haus einmal die komplette Luft ausgetauscht wird. Diese sogenannte Luftwechselrate ist entscheidend für spätere Energieeffizienz des Hauses, denn die erwärmte Luft enthält den Großteil der Energie, die zum Heizen des Hauses benötigt wird. Andersrum gesagt: in einem Haus, in dem es ständig zieht, wird es nie warm.

Standards, Normen und Literatur

Wie eigentlich jedes ernsthafte Prüfverfahren ist auch der Blower Dower-Test in verschiedenen Normen verankert:

  • DIN 4108-7 fordert „Einbau einer luftundurchlässigen Schicht über die gesamte Fläche“
  • Differenzdruckverfahren genormt durch ISO 9972:1996 und der darauf aufbauenden EN 13829 Wärmetechnisches Verhalten von Gebäuden – Bestimmung der Luftdurchlässigkeit von Gebäuden. Differenzdruckverfahren, dt. Übernahme DIN EN 13829:2001-02

Als weitere Literatur ist zu empfehlen:

Definitionen

Die Begriffe und Einheiten, die ich im Folgenden verwende, wollen natürlich definiert und beschrieben werden:

  • Druck
    Mit “Druck” im physikalischen Sinne meint man eine bestimmte Kraft (Einheit: Newton), die auf eine bestimmte Fläche (Einheit: Quadratmeter) ausgeübt wird. Dies ist theoretisch in [latex]\small(N/m^2)[/latex] darstellbar. Der einfacheren Lesbarkeit wegen gibt es dafür jedoch eigene Einheitenbezeichnungen.
    Für geringe Drücke wird häufig die Einheit Pascal (Pa) verwendet. Für diese gilt: [latex]1 Pa=1\frac{N}{m^2}[/latex].
    Eine höhere Skalierung besitzt die Einheit Bar: [latex]1 bar=100.000 Pa[/latex].
    Als Vergleichswerte: 50 Pascal Druckdifferenz entsprechen in etwa Windstärke 5 und 1 bar entspricht ungefähr dem Luftdruck auf der Erdoberfläche.
  • Innenvolumen
    Die weiteren Berechnungen beziehen sich häufig auf das Innenvolumen des Hauses. Wichtig ist hier die Unterscheidung zwischen dem Luft-Innenvolumen und dem gesamten Innenvolumen. Ersteres meint nur den von Luft gefüllten Raum innerhalb der Wände eines Hauses. Das gesamte Volumen umfasst hingegen auch das Volumen von Wänden, Decken und Böden.
    Für den BDT ist nur das Luft-Innenvolumen wichtig, denn die Wände werden bei dem Test hoffentlich nicht nach außen geblasen. 😉 Die Rechenmuffel werden sich übrigens freuen, dass die Wert zum Zeitpunkt des Tests längst feststeht und im EnEV-Energieausweis dokumentiert ist. Er wird dort als “beheiztes Innenvolumen” geführt und kann 1:1 als Berechnungsgrundlage in den BDT übernommen werden.
  • Leckagestrom oder Volumenstrom
    Der Volumenstrom V bzw. – bezogen auf 50 Pa Druckdifferenz – [latex]\small V_{50}[/latex] gibt an, wieviel Kubikmeter Luft pro Stunde durch die Außenfläche des Hauses nach außen treten.
  • Luftwechselrate (volumenbezogener Leckagestrom)
    Die Luftwechselrate n bei 50 Pa [latex]\small n_{50}[/latex] wird berechnet, indem der Leckagestrom [latex]\small V_{50}[/latex] durch das Innenvolumen V geteilt wird: [latex]\small n_{50}=\frac{V_{50}}{V}=\frac{\frac{m^3}{h}}{m^3}[/latex]
    Dieser Wert gibt an, wie oft bei einer Druckdifferenz von 50 Pa in einer Stunde das gesamte Innenvolumen eines Hauses ausgetauscht wird. Die Luftwechselrate bei 50 Pa ist die national und international am häufigsten verwendete und damit wichtigste Kenngröße.
    Grenz- bzw. Richtwerte folgen weiter unten.

Weitere Werte, die berechnet werden können, die aber keine unmittelbare Relevanz für den Dichtigkeitsnachweis haben, sind die Luftdurchlässigkeit [latex]\small q_{50}[/latex] und der nettogrundflächenbezogener Leckagestrom [latex]\small w_{50}[/latex], die jedoch in den aktuellen Fassungen keine Berücksichtigung mehr finden. Ich spare mir deshalb eine Definition und nähere Erläuterung. 🙂

Vorgehen und Durchführung

Der Begriff “Blower Door Test” suggeriert, dass es sich um eine einzelne Messung handelt, deren Wert dann übernommen wird. Das ist allerdings falsch.

Im Rahmen eines BDTs werden in Summe 240 Einzelmessungen vorgenommen, die über statistische Methoden zu den endgültigen Mittelwerten verrechnet werden. Die Zahl 240 ergibt sich folgendermaßen:

  • Messung im Über- und im Unterdruck
    Der BDT wird mit unterschiedlichen Druckverhältnissen ausgeführt: einmal wird im Haus Überdruck (im Vergleich zur Außenluft) und einmal Unterdruck erzeugt. Der Grund hierfür ist, dass es theoretisch eine Leckage geben kann, die durch ein bewegliches Teil verdeckt wird, z.B. eine mangelhaft befestigte Dichtung. Je nachdem kann dieses Teil durch Über- oder Unterdruck fester angedrückt werden, was die Leckage abdichtet. Im anderen Druckverhältniss wird dieses Teil jedoch von der Leckage weggedrückt, weil jetzt z.B. Außenluft einströmt. Dieser Unterschied würde sich durch stark unterschiedliche Werte bemerkbar machen.
  • Messung bei 45 Pa bis 70 Pa in Schritten von 5 Pa
    Zur Absicherung der Ergebnisse wird nicht nur bei einem Druckunterschied von 50 Pa gemessen, sondern auch – mit einem Abstand von jeweils 5 Pa – bei Druckunterschieden von 45 Pa bis 70 Pa.
    Bei jeder Veränderung des Drucks passt sich die Drehzahl des Gebläses an, bis der avisierte Druckunterschied hergestellt ist.
  • Messreihe von 20 Werten für jedes Druckverhältnis
    Bei jedem Druckverhältnis werden im Abstand von einer Sekunde insgesamt 20 Messungenvorgenommen. Über diese Vielzahl vonMessungen kann man ausschließen, dass singuläre Effekte die Messung beeinträchtigen, wie z.B. ein Windstoß. Gleichzeitig ist die gesamte Messung dadurch aber auch kurz genug, dass selbst ein plötzlicher Wetterumschwung die Druckverhältnisse nicht signifikant ändern kann.

In Summe ergeben sich dadurch in Kombination 2 * 6 * 20 = 240 einzelne Messwerte.

Typische Luftwechselraten

Das Ergebnis des BDT ist eine Luftwechselrate, also wie häufig die gesamte beheizte Luft im Haus ausgetauscht wird. Um die Testergebnisse interpretieren zu können will ich natürlich wissen, was typische Werte sind, was gute Werte sind und auch was schlechte Werte sind.
Wichtig ist: alle Werte gelten bei 50 Pa Druckunterschied! Ein so hoher gleichmäßiger Druck kommt in der Natur praktisch nicht vor, da ein kräftiger Wind nie von allen Seiten gleichzeitig wirkt. Es gibt immer Ecken (typischerweise sogar die Hälfte des Hauses), die deutlich weniger Winddruck abbekommen. Da muss also schon ein ganz schöner Wind wehen, damit die hier angeführten Luftwechselraten zu Stande kommen.

Die Literatur ergibt folgende Grenzen (alle Werte bezeichnen “Luftwechsel pro Stunde” und gelten bei 50 Pa Druckunterschied):

  • Undichte Altbauten: 4 bis 12
    Diesen Wert muss man sich auf der Zunge zergehen lassen! Ein Haus, dass in einer Stunde 12 mal die gesamte Luft austauscht! Unser Prüfingenieur hat von einem (renovierten!) Haus erzählt, was den bisher höchsten von ihm gemessenen Wert erzielt hat (eine 11). Dort stand er im Treppenhaus und dachte, er stünde im Inneren eines Haartrockners, weil durch das gesamte Treppenhaus Wind zog. Das nur zum Vergleich, was eine 11 in der Realität bedeutet. Und ja, so etwas kommt anscheinend vor. =:-o
  • Neubauten ohne besondere Sorgfalt: 3 bis 7
    “3” ist die Obergrenze für Häuser mit natürlicher Lüftung über Fenster, die von den Normen und der EnEV vorgeschrieben sind. Ein Wert über 3 ist für ein neues Haus nicht akzeptabel und deutet darauf hin, dass irgendwo gepfuscht wurde.
  • Niedrigenergiehäusern: 1 bis 2
    Niedrigenergiehäuse bewegen sich typischerweise irgendwo im Bereich zwischen 1 und 2.
    Für Häuser mit Lüftungsanlagen gilt dabei ein Grenzwert von 1,5, während 1 eigentlich der wirklich anzustrebende Wert ist.
  •  Passivhäusern: 0,1 bis 0,6
    In Passivhäusern ist die Luftdichtheit besonders wichtig, daher ist dort ein Grenzwert von 0,6 pro Stunde vorgegeben. Das zeigt aber auch gleichzeitig, welche Bedeutung eine kontrollierte Lüftung in einem Passivhaus hat. Ohne eine solche würde sich die Luft schlichtweg nicht erneuern. Das ist auch der Grund warum ich ganz persönlich (ein jeder mag da für sich selbst entscheiden) Passivhäuser nicht mag: das Gefühl nur “Konservenluft” zu atmen, behagt mir nicht…

Mit diesen Werten kann ich die Ergebnisse des BDT einorten. Alles unter 3 ist prinzipiell ok. Ein Ergebnis kleiner als 1,5 wäre wünschenswert. Und von einem Ergebnis unterhalb von 1,0 darf man ein bisschen träumen. 🙂

Bilder der Durchführung

So einen besonderen Anlass, lasse ich mir natürlich entgehen! Stommel Haus war auch sehr zuvorkommend und hat den Test extra auf eine Uhrzeit gelegt, zu der ich nach der Arbeit anwesend sein konnte. Vorbildlich!

Den Test selber in Form der hereinströmenden Luft kann man natürlich nicht fotografieren aber zumindest den Testaufbau und Messergebnisse während des Testlaufs habe ich festgehalten.

Vor Beginn des Tests wurd in unsere Haustür eine luftdichte Plane montiert, die das Gebläse als Ein-/Auslass enthielt. Damit ist es theoretisch nicht möglich, eventuelle Leckagen der Tür zu messen, denn die ist dann ja offen. Es gibt deshalb Stimmen, die sagen, man solle den BDT auch an einem Fenster durchführen, um so die Tür einzubeziehen. Naja, ich habe das gekonnt ignoriert. 🙂

Testaufbau für den Blower Door Test

Testaufbau für den Blower Door Test

Auf dem Bild oben sieht man die rote Plane mit dem Gebläse, das in Bodennähe montiert ist. Links daneben steht noch der Messlaptop, auf dem die Messsoftware ausgeführt wird. Diese steuert auch die Drehzahl des Gebläses.

Den Test kann übrigens getrost im Haus verfolgen. Es fühlt sich in etwa wie bei einem Sink- oder Steigflug imFlugzeug an. Wer keine Probleme mit dem Druckausgleich hat, dürfte sich auch bei dem Test wohlfühlen.

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Die Software übernimmt recht viel von der Arbeit und führt mit einigen Fragen durch das Setup. Für die anstehende Messreihe muss u.a. das oben diskutierte Innenvolumen des Hauses hinterlegt werden, um die verschiedenen Werte korrekt berechnen zu können.

Screenshot der Leckagesuche

Screenshot der Leckagesuche

Im Modus “Leckagesuche” blendet die Software die aktuell gemessenen Parameter ein. So bekommt man einen ersten Überblick und kann auch Veränderungen (wenn man z.B. eine Lücke stopft) gut erkennen.

Der hier gezeigte Wert 0,79 lässt schon mal hoffen. 😉

Messreihe während des Testlaufs

Messreihe während des Testlaufs

Während der Messung sieht es dann eher unspektakulär aus. Auf einer nicht-linearen Skala trägt die Software das jeweilige Ergebnis der Volumenstrommessung ein, erst für den Unterdruck, dann für den Überdruck.

Messreihe kurz vor Ende

Messreihe kurz vor Ende

Kurz vor Ende gruppieren sich die roten Punkte auf einer Geraden. Erfreulicherweise gibt es keine Ausreißer. 🙂

Zusammenfassung des Blower Door Tests

Zusammenfassung des Blower Door Tests

Zum Schluss präsentiert die Software noch eine Zusammenfassung der Werte.

Anschließend packte der Prüfingenieur dann auch schon seine Sachen zusammen und verabschiedete sich, nicht ohne zu versprechen, dass wir zwei Wochen später die Ergebnisse bekämen. Das ist mittlerweile in Form einer hübschen Urkunde und einer Bescheinigung, die auch Details der Messwerte enthält, geschehen.

Ergebnis für unser Haus

Da liest man sich durch so viel Material, tippt einen derart langen Artikel und dann ist das Ergebnis so kurz. Ohne lange Umschweife hier die Werte für unser Haus:

  • [latex]\small V=748m^3[/latex]
  • [latex]\small V_{+50}=602, V_{-50} = 595[/latex], im Mittel ergibt sich [latex]\small V_{50}=599[/latex]
  • [latex]\small n_{50}=0,8[/latex]
  • Die Werte weisen eine Unsicherheit von +-7% beim Volumenstrom und +-14% bei der Wechselrate auf.

Kurzum: das Ergebnis gibt Anlass zur Freude!

Der Wert von 0,8 ist für ein Niedrigenergiehaus mehr als im Soll und kommt sogar in die Nähe eines Passivhauses. Besonders erfreulich für uns ist nicht nur, dass das neu gebaute Stommel Haus offensichtlich dicht ist, sondern natürlich auch, dass der Keller ebenso dicht ist!
Gerade im Kellerbereich haben wir ja eine Menge verändert und (ganz wichtig!) neue Fenster eingebaut. Ich habe mir im Vorfeld ja doch schon ein wenig Sorgen gemacht, ob da alles in Ordnung ist. Der BDT bestätigt jetzt, dass das – zumindest in Sachen Luftdichtheit – unbegründet ist.

Laut Meinung des Prüfers könnte das Ergebnis sogar noch um 0,1 besser sein, wenn das Fenster im Gästebad nicht zum Zeitpunkt der Messung undicht gewesen wäre.

In dieser Hinsicht: saubere Arbeit von Stommel Haus und unseren Handwerkern, die im Keller gearbeitet haben!

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1 Antwort zu Von Türen und Gebläsen

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